Der Entschluss steht also fest: ich lasse mir meinen kompletten Dickdarm entfernen, bekomme ein temporäres Stoma und lasse mir einen Pouch legen. Mein Kopf hatte das als einzig sinnvolle Lösung klar. Mein Herz wollte es nicht wahrhaben. Ich schob die Informationssuche vor mir her: Vogelstrauß-Taktik. Wer kennt das nicht?
Informationen aus dem Internet
Aber es half nichts, also machte ich mich auf die Suche nach Informationen: ich suchte auf www.dccv.de und www.leben-mit-ced.de nach Informationen zu Pouch-Operationen. Ich fand hilfreiche Artikel. Und den Blog, der mich am meisten beeinflusste und auch heute noch abonniert ist: www.colitisblog.de . Lasse schreibt alles Wichtige auf, erklärt gut und schreibt parallel zu seiner Pouch-OP immer wieder Beiträge. Dadurch wird nichts verklärt, man ist live dabei, in guten wie in schlechten Tagen. Er hilft mir bei meiner Entscheidung. Ich vereinbare zwei Chirurgenberatungstermine. Einen bei meinem ehemaligen Operateur 2019 und bei Prof. Kroesen in Köln-Porz. Er ist den Colitis-Patienten ein Begriff.
Chirurgenberatungsgespräch 1
Das erste Beratungsgespräch Anfang Januar 2022 mit meinem Operateur verläuft sehr angenehm, er hört mir zu, antwortet auf meine individuellen Fragen, er nimmt sich Zeit. Auf die Frage, was ich bis zur OP machen könne, antwortet er: „Nichts. Außer dass Sie nicht übermäßig zunehmen, aber das ist bei Colitis sowieso nicht der Fall.“ Diese Antwort disqualifiziert ihn, wie ich später im Arzt-Patienten-Seminar lerne. Ich vertraue meinem Bauchgefühl und fange an, mich vorzubereiten (siehe Prähabilitation). Er könnte mich noch Ende Januar operieren. Aber er macht einfach zu wenige Pouch-Operationen pro Jahr. Das ist ein Komplikationsrisiko, wir ihr bei www.colitisblog.de nachlesen könnt.
Arzt-Patienten-Seminar des dccv
Manchmal muss man Glück haben im Leben: Just am 22.01.2022 fand über den DCCV ein Arzt-Patienten-Seminar zur J-Pouch-Operation statt. Es wurde von der Uniklinik Jena veranstaltet und war online. Besser konnte es für mich nicht laufen. Das Seminar wurde seit zwei Jahren verschoben und es passte perfekt in meine Recherchezeit. Ich sammelte viele wichtige Informationen, bekam Erfahrungsberichte, die mich zum Weinen brachten, weil mir plötzlich klar wurde, wie krank ich bin und was auf mich zukommt, aber trotzdem oder vielleicht genau deshalb war es so hilfreich. Ein besonderes Augenmerk richteten die Ärzte auf die Prähabilitation. Sie sei genauso wichtig, wenn nicht noch wichtiger als die Rehabilitation. Dazu schreibe ich noch mehr.
Chirurgenberatungsgespräch 2
Das zweite Beratungsgespräch mit einer Oberärztin in Köln-Porz ist schnell zusammengefasst. Sie bittet mich in ein Behandlungszimmer. Es ist ungemütlich, ich fühle mich unwohl. Sie setzt sich an den PC, schaut auf den Bildschirm, erklärt mir die OP und wie gut ich mich danach fühlen würde. Ich sage ihr, dass ich das alles schon weiß, weil ich ein Arzt-Patienten-Seminar mitgemacht hätte, und dass das zweite Chirurgenberatungsgespräch sei. Erst dann fragt sie nach meiner Krankengeschichte. Zum Glück hatte ich mir am Tag zuvor meinen Verlauf und meine Medikamentenhistorie in einen Zeitverlauf eingetragen, so konnte ich in gefühlt 37 Sekunde erzählen, was seit 2019 passierte. Und die Ärztin sagte: „Ja, das muss auf jeden Fall operiert werden!“ Soso, dachte ich. Das weißt du nach 37 Sekunden? Es fühlte sich für mich so an, als hätten sie in der Klinik eine Vereinbarung: der Oberarzt, der den Patienten akquiriert, darf ihn auch aufschneiden. Und Chirurgen lieben Aufschneiden. Sie tastete noch meinen Bauch ab, blätterte ein Mal kurz durch meine Unterlagen und schwupp war das Gespräch zu Ende.
Wenn es mein erstes Gespräch gewesen wäre, wäre ich schreiend und heulend aus der Klinik gelaufen und hätte mich niemals in meinem Leben aufschneiden lassen. So perlte es an mir ab: die Klinik ist die Beste, ich werde von Prof. Kroesen operiert, das ergibt für mich das geringste Komplikationsrisiko und damit war die Sache beschlossen. Einen Tag später bekam ich den Anruf, dass ich am 07.03.2022 operiert werden sollte.