Am ersten Tag nach der Rückverlegung starte ich aktiv mit meiner Genesung. In der OP wurde mir eine Schmerzpumpe gelegt und bekomme Flüssigkeit intravenös. Alles läuft automatisch. Ich stehe auf, gehe ins Badezimmer, gehe das erste Mal auf den Flur, wie die letzten Male auch, immer mit dem Infusionsständer.
Der Pouch nimmt seine Arbeit auf
Die ersten drei Tage nach der Operation bekommt man bei der Rückverlegung des Stomas nur Flüssigkost. Der Durchgang an der ehemaligen Stomastelle ist anfangs sehr klein, da die Stomaöffnungen am Dünndarm zugenäht werden. Nähte schwellen bei der Heilung an. Um hier Blockaden zu vermeiden, die durch stückiges Essen entstehen könnten, gibt man drei Tage Flüssigkost. Dann beginnt der Kostaufbau.
Wie immer nach den Operationen habe ich keinen Hunger. Ich esse die mir vorgesetzten Suppen und Puddingspeisen, einfach weil mein Darm Arbeit braucht. Dazu trinke ich fresubin® oder fortimel®, die bilanzierten Trinknahrungen, die alle wichtigen Proteine, Fette und Kohlenhydrate sowie Vitamine und Mineralstoffe enthalten.
Mein Pouch fängt direkt am ersten Tag an zu arbeiten. Es kommt nur Durchfall. Das hat zwei Gründe: zum einen muss der Darm unterhalb des ehemaligen Stomas erst lernen, dass er Nährstoffe und Wasser resorbieren soll. Zum anderen esse ich nur Flüssigkost, was den Stuhlgang natürlich flüssig macht.
Ich trage die ganze Zeit Vorlagen, weil ich Angst vor Inkontinenz habe. Darauf wird man im Aufklärungsgespräch hingewiesen. Der Schließmuskel muss sich erst wieder daran erinnern, wie das mit dem Kot festhalten ging. Ich gehe 8-10 Mal am Tag aufs Klo, davon ein Mal nachts. Es hilft, dass es im Krankenhaus zwischen 17 und 17:30 Uhr Abendessen gibt. Da ist der Großteil der Verdauungsarbeit bis zum Einschlafen schon erledigt.
Luft im Darm
Wie nach der ersten Operation habe ich mit Wiederaufnahme der Peristaltik unglaublich viel Luft im Bauch. Das ist extrem schmerzhaft.
Ich spüre, wie sich die Luft langsam ihren Weg durch die vielen Darmschlingen nach unten bahnt, bis sie als Pups entweichen kann. Die Luft kommt einerseits davon, dass man bei jedem Schlucken, Essen etc. etwas Luft schluckt. Normalerweise entweicht sie als Aufstoßen direkt wieder. Zum anderen kommt sie daher, dass die Peristaltik erst synchronisiert werden muss:
Bei jeder Darmoperation erschlafft der Darm komplett. Die Wiederaufnahme der Arbeit gestaltet sich holprig: vorher genau aufeinander abgestimmte Bewegungen förderten den Darminhalt Richtung Rektum, während auf der Passage alle wichtigen Nährstoffe resorbiert wurden. Nun ist das alles durcheinander. Ich habe vermehrt Luft im Darm, einen aufgeblähten Bauch und Schmerzen. Sehr schnell hole ich mir sab simplex®, der Schmerztropf hilft mir hier nicht. Die Luft muss einfach raus. Die einzige Lösung neben sab simplex® ist Bewegung. Durch die Aktivität merke ich direkt einen Effekt: bei jedem Spazieren spüre ich die Luft weiter nach unten wandern. Meistens gehe ich danach erfolgreich aufs Klo. Dazu kaue ich Kaugummi. Durch die Kau- und Schluckbewegungen fängt der Magendarmtrakt ganz oben an zu arbeiten und leitet die Impulse an weiter unten liegende Regionen weiter. Je mehr ich mich bewege, dem Körper die Möglichkeit gebe, sich einzuspielen, desto schneller ist das vorbei.
Vor allem zu Hause merke ich, dass Alltagstätigkeiten wie Bücken und Wiederaufrichten beim Spülmaschineeinräumen, sich aufs Sofa setzen und wieder aufstehen, die Bauchmuskeln anders belasten und diese dadurch die Verdauung besser fördern. Hier wird es für mich noch mal richtig schmerzhaft, aber es entweicht auch sehr viel Luft auf der Toilette. Es dauert trotzdem fast zwei Wochen, bis die schmerzhaften Blähungen vorbei sind. Das ist eine meiner größten Hürden in dieser letzten Operation. Diese Schmerzen zermürben mich.
Inkontinenz
Ein gefürchtetes Thema. Ein Tabu.
Aber jetzt ganz ehrlich und ungeschönt:
Im Krankenhaus bleibe ich durchgängig kontinent und bin extrem erleichtert. Zu Hause trage ich die ganze Zeit extra lange Slipeinlagen und bin stark angespannt. Auf keinen Fall darf Stuhl in der Unterhose landen, denke ich. Trotzdem habe ich zwei oder drei Mal etwas Kot in der Slipeinlage. Rückblickend passierte es immer, wenn ich sehr dringend auf Toilette musste, aber trotzdem nicht gegangen bin. Ich glaube, mein Schließmuskel war noch nicht wieder so gut trainiert.
Ich stehe nachts ein bis zwei Mal auf, um aufs Klo zu gehen. Zum einen weil ich wirklich muss, zum anderen, weil mein Kopf mich aufweckt, damit ja nichts schief geht. Eines Morgens stehe ich auf und stelle auf dem Klo fest, dass Kot in meiner Unterhose ist. Auch meine Schlafanzughose ist voll. Also gehe ich mich duschen, die Kleidung auswaschen. Der Kot ist nicht so aggressiv wie der aus dem Stoma, meine Haut ist völlig unversehrt. Die Nächte danach schlafe ich quasi gar nicht. Ich bin völlig unentspannt, jedes Zwicken und Gluckern weckt mich. Ich weiß, dass ich erst wieder Vertrauen in meinen Körper lernen muss. Nach etwa fünf Nächten kann ich wieder in meinem gewohnten Rhythmus schlafen.
Ab sieben Wochen nach der Operation gibt es ab und zu Nächte, in denen ich sechs Stunden durchschlafe. An den Tagen bin ich ein völlig neuer Mensch.
Hallo liebe Verena,
ich habe versucht dir eine E-Mail zu schreiben. Leider kam diese zurück. Wie geht es dir denn aktuell?
Liebe Vanessa.
Vielen Dank für Deine Nachricht. Und entschuldige die Verspätung. Das Leben hat mich wieder und hier ist einfach unglaublich viel los.
Mir geht es aktuell sehr gut. Mein Pouch arbeitet einwandfrei, ich habe mittlerweile gut herausgefunden, was ich nicht vertrage, wie ich meinen Po pflege. Und ich genieße das Leben vollumfänglich.
Wie kommst du zu meiner Seite und warum besteht bei Dir Interesse? Versuche bitte ggf noch mal mir eine Mail über das System zu schreiben. Vielleicht ist sie zurückgekommen, weil ich so lange nicht online war. Aber ich gelobe Besserung und hoffe, dass ich (realistsisches Ziel) alle 2 Wochen auf meine Seite schaue.
Ganz liebe Grüße
Verena