Im September habe ich mein protektives Stoma erhalten. Wie erging es mir damit?
Mein Körper erholt sich
Nach den vielen Komplikationen war ich sehr schwach. Ich japste beim Sprechen, weil ich eine starke Anämie hatte und mir der Sauerstoff zum Sprechen fehlte. Ich war körperlich entkräftet, schließlich hatte ich sechs Kilo abgenommen, was bei mir mehr als 10% meines Körpergewichtes ausmacht. Aber ich bin hart im Nehmen. Alles hat sich aus eigener Kraft wieder regeneriert. Ich habe ein Breitbandnahrungsergänzungsmittel genommen, um meinen erhöhten Bedarf an Vitaminen und Mineralstoffen trotz der eingeschränkten Ernährung zu decken. Und ich habe mich immer wieder an meine Grenzen der Belastung gebracht: Treppen steigen, Rad fahren, spazieren, damit die Körperkraft zurückkommt und die Ausdauer wieder aufgebaut wird. Die Ernährung habe ich langsam aufgebaut. Das kannte ich von den letzten Malen. Es gibt aber Unterschiede, was das protektive Stoma verträgt im Vergleich zum endständigen Stoma von davor. Das kommt später.
Stomaversorgung
Ein protektives Stoma ist nicht kreisrund wie ein endständiges Stoma. Im Gegensatz zum endständigen Ileostoma wird nicht ein Dünndarmende durch die Bauchdecke geführt sondern eine Darmschlaufe (beschrieben in 2.1. J-Pouch-Operation: Pouchanlage mit Entlastungsstoma, Tage 0-2). Dadurch ist das Stoma eher wie eine Acht geformt.
Mit den vielen Komplikationen merke ich erst als Ruhe einkehrt, dass meine Versorgung nie ganz dicht klebt. Es unterläuft immer ein kleines bisschen und reizt meine Haut ums Stoma herum. Bis mir auffällt, dass da etwas nicht stimmt, habe ich einen etwa fünf Millimeter dicken Rand aus entzündeter Haut um mein Stoma. Ich habe durchgängig Schmerzen. Zum einen, weil ich die Klebeplatte direkt auf die entzündete Haut kleben muss, damit sie vor dem aggressiven Dünndarmstuhl geschützt wird, zum anderen, weil immer etwas Kot unter die Platte läuft und die Haut direkt wieder angreift. Erst jetzt fällt mir auf, dass mein Bauch 24/7 brennt. Den Schmerz kann man sich vorstellen, als würde man sich Essig über eine Schürfwunde schütten.
Jetzt könntet ihr sagen: Aber das merkt man doch, so schlimm können die Schmerzen gar nicht sein. Aber ich kann euch versichern: Doch, das können sie. Der Körper gewöhnt sich an alles. Auch an Schmerzen. Ich war die Zeit davor mit vordringlicheren Problemen beschäftigt, in der Zeit lernte mein Körper, die Schmerzen auszublenden. Außerdem bin ich auf Grund meiner vierjährigen Geschichte an Schmerzen gewöhnt.
Stomatherapeutinnen
Meine Stomatherapeutin schaut sich mein Stoma an: „Ach, da hab ich schon schlimmeres gesehen.“ Wem helfen solche Aussagen?! Ich solle nicht so genau ausschneiden, ich würde das Stoma einengen. Das ergibt für mich wenig Sinn, weil dann noch mehr Haut vom Dünndarmstuhl angeätzt wird, trotzdem ich versuche es einige Tage – ohne Erfolg. Eine Vertretung bleibt keine zehn Minuten und sagt, ich solle Paste um mein Stoma auftragen, damit es besser abschließt. Zusätzlich lässt sie mir ein anderes Versorgungssystem zum Probieren da. Ich fühle mich nicht gut betreut.
Beim nächsten Wechselversuche ich die Probeversorgung. Stunden später läuft mir ein warmer Schwall das Bein runter bis zu den Socken. Der Beutel ist bei bloßem Gehen aufgegangen! Ich stehe in meiner eigenen Scheiße. Mit einem Müllbeutel um mein Bein gewickelt, humple ich Richtung Dusche, damit ich meine Scheiße nicht überall im Haus verteile. In der Dusche nehme die restliche Versorgung ab und mache mich sauber. In dieser kurzen Zeit ätzt der Dünndarmstuhl schon meine Haut am Bein an; sie ist feuerrot und brennt.
Nachdem mir zwei Stomatherapeutinnen im übertragenen Sinn gesagt hatten, ich solle mich nicht so anstellen und ihre Hilfestellungen nichts gebracht haben, nehme die Schmerzen einfach hin. Bei der Neubestellung von Versorgungsmaterial meldet sich wieder eine andere Frau und fragt nach. Ich schildere ihr mein Problem und sage, dass es mir jetzt egal ist, und ich einfach nur bis zur OP in zwei Monaten durchhalten werde. Sie möchte eine Lösung finden. Diese Stomatherapeutin nimmt sich Zeit und erkennt, ich brauche eine stärker konvexe Versorgung, weil mein protektives Stoma nur einen knappen halben Zentimeter aus der Bauchdecke ragt. Außerdem würde Paste den Kot nicht aufhalten. Also wäre sie gar nicht für den Zweck gemacht, den die andere Therapeutin mir genannt hatte.
Ernährung
Nach einigem Rumprobieren merke ich allerdings, dass es weiterhin brennt. Was kann es noch sein? Aufgeben oder weitersuchen? Kurz bevor ich planmäßig mein protektives Stoma los werde, finde ich des Rätsels Lösung. Es ist die Ernährung. Ich vertrage mit diesem Stoma Essen nicht mehr so gut:
- Ich habe relativ früh festgestellt, dass ich Laktose nicht mehr gut vertrage. Mein Beutel bläht sich durch die Gase dann stark auf.
- Ich kann mehr Nüsse essen als mit endständigem Stoma, das freut mich natürlich sehr, schließlich liebe ich Nüsse.
- Scharfes Essen reizt mein Stoma nun leider auch: Currys, indische Suppen, feurige Snacks, das alles muss ich jetzt weglassen.
Aber nun zur eigentlichen Ursache meiner Schmerzen: ich vertrage keine Säure mehr. Wenn ich Säure esse, dann brennt mein Stoma: Salatdressing, Apfel, Zitronensaft in der Möhrensuppe, Weißwein. Da die Lebensmittel so unterschiedlich sind, bin ich monatelang nicht drauf gekommen. Seit ich Säure konsequent meide, tut mein Stoma nicht mehr weh. Und gleichzeitig heilt meine Haut um das Stoma tatsächlich langsam ab. Einen solchen Hinweis hätte ich mir von den Stomatherapeutinnen gewünscht, denn mein Stoma unterläuft nach wie vor ein kleines bisschen, aber jetzt ist der Dünndarmstuhl etwas weniger aggressiv.
Da die Versorgung immer unterläuft, dachte ich, dass es nur an der Art der Versorgung liegt, ans Essen habe ich überhaupt nicht gedacht. Es war ein Zufallsfund. Aber nun habe ich auch das geschafft.