Am Montag holt mich mein Mann vom Krankenhaus ab. Wir fahren direkt einkaufen für Joghurt, Quark und weißes Brot. Am frühen Nachmittag holen wir die Kinder vom Kindergarten ab. Wir machen alles mit dem Auto, ich gehe so wenig wie möglich. Aber zum Abendessen merke ich, dass der Alltag zu Hause viel zu anstrengend für mich ist. Beim Autofahren schmerzt jede Bodenwelle, der Weg zum Kindergarten, durch den Supermarkt, zu Hause Treppe rauf und runter. Das ist deutlich mehr Bewegung als die vielen Runden und Treppen im Krankenhaus. Für das Krankenhaus zu fit, für zu Hause noch zu schwach. Mein Mann nimmt mir alles ab, was geht, aber trotzdem sind die ersten Tage unendlich anstrengend.
Kostaufbau: zurück zu normal
Nach insgesamt drei Wochen nach der J-Pouch-Operation fange ich mit dem Kostaufbau an. Ganz gegen meine Profession starte ich mit einem Glas Weißwein am Abend. Ich bin eben auch nur ein Mensch. Und hurra, ich vertrage es gut – Alkohol soll nämlich Durchfall verursachen, wohingegen Rotwein stopfend wirken soll (das habe ich bis dato noch nicht getestet). Langsam taste ich mich an weitere Lebensmittel heran: geschälte Äpfel, dann Äpfel mit Schale, verschiedene Soßen, Obst und Gemüse (meine Grundnahrungsmittel). Nur Paprika, Tomate, Spargel, Ananas und Pilze lasse ich konsequent weg. Für ein zeitlich begrenztes Stoma ist diese Einschränkung gut aushaltbar, falls die OP’s nicht den gewünschten Effekt haben sollten und ich lebenslang ein Stoma haben sollte, dann kann ich immer noch mutig diese Lebensmittel testen. Es dauert nur wenige Wochen und ich esse alles wieder wie zuvor: Vollkornmehl, Nüsse (in kleinen Mengen: mit einer guten Hand voll habe ich mein Stoma überfordert), Rohkost einschließlich Salat, Zwiebeln und Knoblauch als Würzmittel, nicht als Hauptzutat, also Zwiebel in Tomatensoße ja, Zwiebelkuchen habe ich noch nicht probiert, auch Kohlsorten habe ich noch nicht getestet. Alles der Reihe nach, alles vorsichtig. Ich habe mir nun angewöhnt, jeden Tag Joghurt zu essen, das ist die einzige Neuerung in meinem Essensplan. Das mache ich für die Geruchshemmung, genauso wie das Würzen mit Petersilie, die kommt jetzt in fast jedes Essen.
Ich schaue auf der Website www.stoma-na-und.de vorbei. Ich kenne die Seite schon von meiner Vorbereitung, nun kaufe ich mir hier Bandagen. Alles ist neu für mich, aber ich fühle mich wohl.
Bei einem Familientreffen sechs Wochen nach der Operation leere ich zum ersten Mal den Beutel in einer Restauranttoilette. Es ist etwas umständlicher als zu Hause, aber es klappt gut.Vor dem Tag bekam ich total Panik, dass ich die ganze Autofahrt nichts essen und trinken könne, und dort auch nicht, und wo ist da wohl das nächste Klo etc. Und dann dachte ich: Moment mal, das stimmt alles nicht. Ich kann essen und trinken, ich brauche nicht innerhalb von 30 Sekunden eine Toilette. Es war so fremd und gleichzeitig so erleichternd, ich bekomme immer noch Gänsehaut, wenn ich daran denke!
Nach dem Urlaub meines Mannes haben wir zu Hause Unterstützung durch eine Haushaltshilfe. Die wurde vorab von meiner Krankenkasse genehmigt. Da ich die ersten Wochen nur 5 kg heben darf und ich kleine Kinder habe, brauche ich Hilfe im Haushalt. Ich kann mein Kind nicht auf die Wickelkommode heben, nicht den Kinderwagen schieben, Einkäufe nicht tragen oder einen Korb gewaschener Wäsche. Die Damen leisten großartige Hilfe und sind dabei so freundlich. Es ist angenehm, sie im Haus zu haben. Als wir 2019 die Haushaltshilfe hatten, wurde mir der Umstand bald zu viel, dass jeden Tag acht Stunden fremde Frauen in unserem Zuhause waren. Ich war nie alleine. Damals brauchte ich den ganzen Tag Unterstützung, weil mein Jüngster noch Säugling war aber schwerer als 5 kg. Ich durfte ihn nicht füttern, wickeln, tragen, beruhigen, weil es immer bedeutet hätte, ihn auf dem Arm zu haben. Das haben sechs Wochen die Damen vom Pflegedienst für mich gemacht. Es war eine harte Zeit und ganz anders als heute – zum Glück. Nach nur sieben Wochen fühle ich mich wie ein neuer Mensch: an Christi Himmelfahrt, einem Feiertag bei uns, habe ich die Kinder alleine zu Hause, ich backe Kuchen, koche, wasche zwei Maschinen Wäsche und hänge sie auf und mähe den Rasen. Abends sitze ich auf der Couch und denke: Mensch, heute hab ich aber viel geschafft. Ich bin zwar müde aber nicht total kaputt und erschöpft. Meine Kraft kommt wieder. So fühlt sich also normales Leben an. Ich bin jeden Tag erstaunt darüber, wie viel Kraft man haben kann und wie schön das Leben ist. Mein Leben hat mir immer gefallen, aber nun ist es noch viel toller!
Dies ist der vorerst letzte Beitrag in dieser Rubrik. Hier geht es planmäßig erst im September weiter.
Hallo Verena,
deine Texte sind wirklich gut geschrieben und deine Website gefällt mir auch sehr. Danke, dass du deine Erfahrungen teilst!
Auch wenn es viel Arbeit ist, sind solche Blogs wirklich wertvoll für andere Patienten. Meld dich gern bei mir, falls du Fragen zum Pouch hast. Seit Anfang Juli hab ich die OPs nun überstanden und mein Pouch ist in Betrieb. Und bisher bin ich wirklich zufrieden!
Alles gute für die weitere Zeit!
Lasse