Nicht jedem Colitis-ulcerosa-Patienten/Patientin geht es vor der geplanten Operation so gut wie mir. Macht, was euch möglich ist. Jeder Schritt, jede Stufe, und jede besondere Mahlzeit ist eine wertvolle Vorbereitung für die Rehabilitation nach der Operation. Gebt nicht auf. Ihr schafft das!
Wie ich im Arzt-Patienten-Seminar gelernt hatte, ist Prähabilitation genauso wichtig oder wichtiger als Rehabilitation. Mein Bauchgefühl hatte mir das schon bei meinem ersten Chirurgengespräch gesagt, nun werde ich von Profis bestätigt. Gerade bei geplanten OP’s hätte man den eklatanten Vorteil, dass man sich vorbereiten könne. Man müsse das Gleichgewicht finden, möglichst wenig Medikamente, die die Wundheilung verschlechterten, im Körper zu haben, und gleichzeitig den Allgemeinzustand des Körpers möglichst gut zu gestalten. Cortison und Immunsuppressiva, was Stelara und all die anderen sind, hemmen die Wundheilung. Man solle möglichst bei 15mg Cortison oder weniger sein. Und die Immunsuppressiva ausschleichen. Gleichzeitig soll man auf einen guten Ernährungszustand achten und körperliche Fitness.
Ernährung in der Prähabilitation:
Ich lasse in meinem Blut die Mikronährstoffe bestimmen, um gezielt supplementieren zu können. Da kommt mir mein Beruf zu Gute. Wider Erwarten muss ich nicht viel supplementieren: ich habe – wie immer – Eisenmangel, Vitamin D war am unteren Limit, das schadet auch nicht, und Zink. Der Rest ist im Normbereich. Zusätzlich supplementiert ich Omega-3-Fettsäuren, weil sie die Bildung von Entzündungsmediatoren hemmen und der Haut gut tun. Außerdem achtet ich auf eiweißreiche Nahrung, da mein Wert immer schlecht ist. Der Körper braucht diesen Baustein vermehrt durch die ständige Entzündung im Körper, die eine Colitis ulcerosa nun mal ist. Außerdem möchte ich den Gesamteiweißgehalt im Blut möglichst erhöhen, weil das auch Baustoff für die Wundheilung nach der OP ist. Das ist für mich gar nicht so leicht, da ich Flexitarier bin.
Flexitarier essen zwar alles aber weniger Fleisch. Überwiegend ernähren sie sich vegetarisch. Also sind meine Eiweißquellen Eier, Milch(produkte), Hülsenfrüchte; Tofu und Nüsse. Ich achte – chronisch krank hin oder her – auf unseren CO2-Abdruck in der Welt. Also versuche ich, viel vegetarisch oder vegan zu kochen. Wenn wir Fleisch im Haus haben, ist es hochwertig und damit teuer. Es sind also neben der Verträglichkeit auch noch Klimaschutz und Budget zu beachten.
Nussmuse im Müsli oder zur Banane, Hummus, Currys, Käse aufs Brot, Risotto mit viel Parmesan, Gemüsesuppen mit pürierten Hülsenfrüchten, Pfannkuchen etc. Ich kann glücklicherweise auch schwer verdauliche Lebensmittel mit hohem Ballaststoffanteil essen, was vielen ColitispatientInnen verwehrt bleibt. Es ist eine Gradwanderung und jeder muss ausprobieren, was er verträgt. Nussmuse gehen besser als ganze Nüsse, bei mir geht Hummus besser als Currys (scharfe Gewürze plus Ballaststoffe sind eine starke Belastung für den Dickdarm). Zu den ganzen Problemen, die die Ernährung bei Colitis mit sich bringt, achtet ich immer noch darauf, dass es den Kindern schmeckt (meistens zumindest). Ich will nicht für mich und ein zweites Gericht für meine Familie kochen. Wenn man durch eine Krankheit schon geschwächt ist, sollte man Extra-Arbeit vermeiden, oder man macht es automatisch. Aber mit den obigen Anforderungen für meine Ernährung und dazu den Geschmack der Kinder zu treffen, da komme ich regelmäßig an meine Grenzen. Und ich halte mich für eine kreative und gute Köchin. Also wähle ich für eine gewisse Zeitspanne den einfachen Weg: ich kaufe mir ein veganes Eiweißpulver, das ich in meinen Joghurt rühre. Bei mir führt das dazu, dass der Joghurt eine Konsistenz wie Mörtel bekommt, außerdem schmecken diese Pulver immer künstlich. Aber hey, was macht man nicht alles für die Gesundheit? Als die Dose mit dem Pulver endlich leer war, war ich erleichtert … und kaufe auch keine zweite Dose mehr nach.
Sport bzw. Muskelaufbau in der Prähabilitation
Ich fange an, innerhalb meiner Grenzen Sport zu treiben. Mit dem Cortison geht es mir mittlerweile so gut, dass ich das machen kann. Ich bin nicht symptomfrei, bei weitem nicht, aber ich kann Yoga machen, Kraft-Ausdauer-Übungen und später fange ich an zu joggen. Es tut mir richtig gut. Ich gewinne wieder Vertrauen in meinen Körper. Er kann etwas leisten und ist nicht nur kaputt. Das ist auch für meine Psyche eine wichtige Erfahrung. Ich mache nur Sport, wie es mir guttut, kein Leistungsdruck, kein höher, schneller, weiter. Einfach nur, um mich zu pflegen, um mich vorzubereiten auf den Muskelabbau nach der OP, der zwangsläufig passiert. Der Vorteil meiner Prähabilitation ist nicht nur, dass mein Körper bestmöglich auf die J-Pouch-Operation vorbereitet ist, sondern auch, dass er danach schneller wieder fit werden kann. Er hat Ressourcen an Baustoffen wie Eiweißen, Vitaminen und Mineralstoffen und Kraft und Ausdauer, um schnell wieder auf die Beine zu kommen. Jeden Tag, den ich nicht im Krankenhaus verbringen muss, ist ein gewonnener Tag. Das ist mein Ansporn.
Bei meinem ersten Krankenhausaufenthalt um Juli 2019 lag ich fast eine Woche nur im Bett, weil ich solche Schmerzen hatte, dass ich mich nicht im Bett aufsetzen konnte, geschweige denn, gehen. Nur unter unaushaltbaren Schmerzen und größter Kraftanstrengung ging ich zur Toilette. Das war die ganze Bewegung. Innerhalb dieser Zeit verlor ich so viel Muskelmasse, dass ich bei meinem ersten Versuch, Treppen zu steigen, nicht in der Lage war, mein Bein soweit hochzuheben, damit ich den Fuß auf die erste Stufe setzen konnte. Es war unmöglich. Ich musste das Bein mit Schwung auf die erste Stufe hieven. Erschreckend. Seitdem weiß ich, wie wichtig Muskelerhalt und Bewegung ist, egal wie wenig und vor allem: egal, wie schwer es einem fällt. Hier muss man über sich hinauswachsen. Damit mir das nicht noch einmal passiert, habe ich in der Prähabilitation versucht, Muskeln und Kondition aufzubauen. Das wird mir nach der OP helfen, schneller wieder auf die Beine zu kommen.
Es fällt mir schwer, nicht in das Leistungsmuster abzudriften. Das geht ganz schnell: oh heute jogge ich weiter als letztes Mal, heute schaffe ich einen Liegestütz mehr und so weiter und so weiter. Aber ich befehle mir, auf meinen Körper zu hören. Mal kann ich mehr machen, mal weniger, ich versuche mich, an die Vorgaben meines Körpers zu halten. Ich muss sagen, dass es ein Glück ist, dass ich zwei Monate vor OP in einem Zustand bin, der mir erlaubt, meinen Körper so auf die OP vorzubereiten. Vielen Colitis-ulcerosa-PatientInnen ist das nicht vergönnt.